Es ist so weit

Es ist wieder soweit. Wir dürfen wählen. „Es ist wieder soweit..." ließ ein Elternpaar in den Zeiten, als es noch keine Anti-Baby-Pille gab, die Anzeige einer neuen Geburt übertiteln. Weil das Paar sich selbst und Kinder besonders liebte, kamen diese Geburtsanzeigen jährlich. Weswegen es dann weiter hieß: „...und ihr diesjähriges Kind zeigen in großer Freude an...." Bei uns heißt es am 2. Februar: Es ist wieder soweit - ihre langjährige Landtagswählbarkeit zeigen an Jacques, Jörg, Hans-Hermann, Karin usw.... D.h. geduzt wird nur der Jacques. Die anderen brauchen noch den Nachnamen. Zum Profil Während Eltern sich ihre Kinder (noch nicht) nach Katalog aussuchen können und sich wohl nie Kinder ihre Eltern aussuchen können, es also keine Wahl gibt, sind Wahlen Qualen, weil es eben viel zu viel zu wählen gibt. Heuer besonders, weil so wenig geheuer ist: 2003 und die ganze nähere Zukunft wackelt sichtbar (unsichtbar wackelte in der Vergangenheit schon immer jede Zukunft). Was wenn wir Jacques, den Vertrauten wählen? Mindestens wählen wir dann Vertrautheit und das ist schon selten, weil es auch mit Vertrauen zu tun hat. Außerdem dürfen wir den „Jacques“ laut Plakat nun alle duzen. Voigtländers gibt es ja auch so viele. Was, wenn wir Ja Was, wenn wir Karin Bertholdes-Sandrock wählen? Schon weil sie Frau ist und das ist heutzutage schon das halbe Ticket. Und die Gruppe der Ostheide-Abgeordneten im Landtag wäre in ihrer sonst überwiegend maskulinen Struktur spannender Die Wochen vor den Wahlen sind für mich keine Qualen. Oder besser: Ich genieße diese Qual, an jedem Plakat hochgucken zu können: Wähl ich dich da oben? Oder dich-da hinten? Oder den Schrägen an der Scheunenwand? Ich meine schräg klebende Plakate. Manche sind wirklich vom Winde oder politischen Gegnern oder generellen Wahlgegnern verweht und schräg in ihrer Lage. Oder schräg in ihren Versprechen. Nein, es ist schon eine große Zeit, in der wir die politische Ware im breiten Angebot aussuchen können, weil wir jetzt der Souverän sind. Allerdings nur jetzt. Wir sangen gerade noch ahnungsvoll: Es ist für uns eine Zeit angekommen... Jetzt geht sie zu Ende. Sonntag. Wählen wir souverän. Und hoffen, dass wir (wie jene jungen Eltern von damals) nach der Wahl sagen können: „Es ist soweit... das Ergebnis ihrer diesjährigen Landtagswahl zeigen in großer Freude an..." Na ja, es reicht mir schon, wenn ich ein bisschen hoffnungsvoller in die nähere Zukunft unseres lieben Mutterlandes gucken kann. Übrigens, die damaligen kinderüberreichen Eltern sind jetzt Großeltern mit sehr viel weniger Enkelkindern, als sie unserer Gesellschaft an Kindern schenkten, Ihre Kinder haben 1.6 Kindfamilien (statistisch). So wird die Zukunft: Wir werden weniger. Unabhängig von der Wahl. Jörg Hillmer wählen? Dann käme frisches Blut in die alte Zuchtanstalt CDU und Wulff würde nicht so einsam in Hannover mit überwiegend alten Wölfen heulen, sondern mit jüngeren Wulffen. Oder wir hoffen mit Hans-Hermann, der laut Annonce unschlagbar mit seinen Trommlern ist.

28. Januar 2003